Impfungen
von Elisabeth Sorantin

Impfen schützt. Den Impfling selbst und die Gemeinschaft. Viele schwere Erkrankungen haben durch das staatliche Impfprogramm ihren Schrecken verloren.
Schulimpfungen
In Österreich sorgt ein kostenloses staatliches Impfprogramm dafür, dass Kinder vor dreizehn gefährlichen Erregergruppen geschützt werden. Ein Teil dieser Impfungen, wie z.B. gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Kinderlähmung, Hepatitis B, HPV und Meningokokken A, C, W, Y, wird im Rahmen von Schulimpfungen durchgeführt.
Impfstatus feststellen
Was sollen Eltern tun? Zuerst einmal feststellen, wie es um den Immunstatus des Kindes steht. Dazu den Impfpass prüfen oder vom Kinder- bzw. Hausarzt checken lassen. Neuerdings kann man den Impfstatus auch über den elektronischen Impfpass abfragen; für Kinder bis zum Alter von 14 Jahren können das die Eltern tun. Das sollte Dokumentation und Überblick in Zukunft erleichtern. Falls bei älteren Kindern Bedenken bezüglich der Vollständigkeit des Impfpasses bestehen, kann ein Bluttest zur Überprüfung des Impfstatus (Titerbestimmung) sinnvoll sein. Dann sieht man genau, bezüglich welcher Immunisierung Handlungsbedarf besteht.
Wovor die Schulimpfungen bewahren
Die Schrecken der Krankheiten, die durch die Impfung in Schach gehalten werden, sind etwas in Vergessenheit geraten, eben weil das Impfprogramm bisher erfolgreich war. Deswegen hier eine kurze Erinnerung:
- Diphtherie ist hochansteckend und führt zu schweren Rachenentzündungen, die die Atemwege so einengen, dass es zu Atemnot und Erstickungsanfällen kommt.
- Tetanus (Wundstarrkrampf) wird durch einen weitverbreiteten Erdkeim verursacht. Jede tiefere Hautverletzung ist gefährlich. Die auftretenden Muskelkrämpfe sind so stark, dass es zu Knochenbrüchen kommen kann. Trotz intensivmedizinischer Behandlung sterben etwa zehn bis zwanzig Prozent der Erkrankten.
- Bei Keuchhusten (Pertussis) kann es durch die zahlreichen Hustenattacken zum Ersticken kommen, bei Säuglingen zum Herzstillstand.
- Kinderlähmung (Polio) verursacht, wie der Name schon sagt, Lähmungen, die eine lebenslange künstliche Beatmung erfordern und im schlimmsten Fall zum Tod führen.
- Hepatitis B kann eine chronische Infektion verursachen, die langfristig Leberveränderungen wie Leberkrebs oder Leberzirrhose zur Folge hat.
- HPV verursacht bei Frauen Gebärmutterhalskrebs, bei beiden Geschlechtern Genitalwarzen, bei Männern Peniskarzinom.
- Unbehandelte (bakterielle) Meningitis-Fälle enden fast immer tödlich, weil die Infektion sehr rasch fortschreitet. Selbst bei Intensivbehandlung sterben zehn Prozent der Erkrankten, weitere zehn bis zwanzig Prozent tragen schwere Behinderungen davon
Meningokokken
Meningokokken sind selten, aber hochgefährlich. Eine Infektion kann aus voller Gesundheit heraus innerhalb von Stunden zum Tod führen. Kinder im ersten Lebensjahr und Jugendliche im Alter von 15 bis 18 Jahren sind besonders gefährdet. Impfungen konnten die Erkrankungsfälle in Österreich deutlich senken.
Das kann man ja nicht ahnen: Doz. Dr. Fritsch, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde in Graz, klärt auf: "Fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung tragen diese Bakterien unbemerkt in sich, ohne zu erkranken. Warum, weiß man nicht." Daher wissen die Betroffenen auch selbst nicht, dass sie Träger und Überträger sind. Unter Jugendlichen ist die Zahl passiver Träger mit zwanzig Prozent besonders hoch.
"Es kommt daher in dieser Altersgruppe häufiger zum Auftreten von Infektionen, die einen besonders fulminanten Verlauf haben können", warnt Doz. Fritsch. Denn steckt sich jemand an, der weder geimpft noch immun ist, beginnt ein Wettlauf mit der Zeit.
Was Meningokokken so gefährlich macht
Meningokokken werden durch Tröpfcheninfektion übertragen und siedeln sich zuerst im Mund-Nasen-Rachenraum an. Können sie die Schleimhautbarriere durchbrechen, verbreiten sie sich rasant im gesamten Körper und besiedeln besonders rasch den vorderen Hirnbereich. Es kommt zu Gehirnhautentzündung und Blutvergiftung, unbehandelt führt die Infektion binnen 24 Stunden zum Tod.
Woran erkennt man eine Meningokokkeninfektion?
- Das Anfangsstadium, die Inkubationszeit, verläuft oft unbemerkt.
- Das nächste Stadium ist durch das Auftreten von plötzlichem hohen Fieber und grippeähnlichen Beschwerden gekennzeichnet.
Doz. Fritsch: "Das bedeutet: Dringendst zum Arzt!" Allerdings sind die Erreger so aggressiv, dass eine zu spät begonnene Antibiotikatherapie meist nicht mehr greift. Im Falle einer Blutvergiftung (Sepsis) können Antibiotika bereits geschädigtes Gewebe nicht retten, Amputationen sind die Folge.
- Zehn Prozent aller Meningokokkenpatienten sterben trotz Intensivbehandlung,
- weitere zehn bis zwanzig Prozent tragen bleibende Schäden davon: Amputationen, neurologische Schäden, Entwicklungsstörungen, mentale Behinderung, Verlust des Gehörs oder Sehsinns, Krampfleiden (Epilepsie) oder einen Wasserkopf (Hydrocephalus).
Impfen: Ein kleiner Stich mit großer Wirkung!
Vor all diesem Leid bewahrt die Impfung: Es gibt mehrere Meningokokkenstämme (Serogruppen), die weltweit unterschiedlich verteilt sind. Der österreichische Impfplan sieht die Impfung gegen die hierzulande am häufigsten vorkommenden Stämme nach folgendem Zeitschema vor:
- Gegen Meningokokken B wird ab dem 3.
- und gegen Meningokokken C ab dem 12. Lebensmonat geimpft.
- Die Impfung gegen die Serogruppen A, C, W135, Y (Kombinationsimpfung) ist zwischen dem 10. und 13. Geburtstag bzw. als Schulimpfung in der 6. Schulstufe vorgesehen.
Impfungen gegen Meningokokken B und C sind kostenpflichtig.
Mehrfachimpfungen
Wichtige Gründen sprechen dafür - keine dagegen.
Sind Mehrfachimpfungen für das kindliche Immunsystem eine Belastung oder ein Segen? Soll man die Empfehlungen des Impfplans lückenlos befolgen? all4family hat dazu die Expertenmeinung von Prim. Univ.-Prof. Zwiauer von der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften eingeholt, der Mitglied des Nationalen Impfkomitees ist.
So ändern sich die Zeiten: Noch vor einer Generation waren Eltern froh über all die Schutzimpfungen, die ihren Kindern laut Impfplan verabreicht wurden. Heute sind gerade wegen der Impferfolge der vergangenen Jahrzehnte die Erinnerungen an die mitunter fürchterlichen, ja oft tödlichen Folgen von Kinderlähmung, Keuchhusten, Masern oder Mumps schon verblasst und an ihre Stelle sind andere Ängste getreten. So haben viele Eltern die Sorge, dass die modernen Sechsfachimpfungen eine übergroße Belastung für das kindliche Immunsystem darstellen.
Das kindliche Immunsystem
Das kindliche Immunsystem ist schon in den letzten Schwangerschaftswochen voll ausgereift. Prof. Zwiauer: "Es ist bei der Geburt keineswegs unreif, aber sehr wohl unerfahren." Das ist ein großer Unterschied! Die Frage ist nur, wie das Immunsystem auf die für das Kind schonendste und effizienteste Weise trainiert werden kann.
"Impfungen haben den großen Vorteil, dass der Kontakt sehr kontrolliert abläuft, anders als bei einer Infektion mit der Wildform der Erkrankung." Eine Überlastung des kindlichen Immunsystems durch eine Impfung ist nicht möglich. Die Idee einer Impfung ist es ja, dem Immunsystem den Erreger in der geringstmöglichen Dosis vorzustellen, damit es Antikörper bildet und ihn in Zukunft zuverlässig erkennt. "Mit der Impfung gelingt eine Immunisierung nebenwirkungsarm und risikolos, ein Kontakt mit der Wildform ist hingegen unkalkulierbar", so Zwiauer.
Impfstoffe
Moderne Impfstoffe präsentieren nicht mehr den gesamten Erreger mit all seinen Antigenen, sondern nur noch die gerade erforderliche Menge und nur Teile des Erregers. Ausgeklügelte Transportmechanismen und Hilfsstoffe erlauben eine drastische Verringerung der Antigenanzahl, was die Impfungen verträglicher macht.
Mehr als 25 Antigene werden selbst bei Mehrfachimpfstoffen heute nicht mehr verabreicht. Zum Vergleich: Waren es im Fall der Impfung gegen Keuchhusten zum Beispiel früher ca. 300 Antigene, kommt die moderne Version mit fünf (!) aus. Moderne Mehrfachimpfstoffe sind so niedrig dosiert, dass sie sogar bei einer hundertfach größeren Menge an Antigenen immer noch sicher wären. Bei einem Besuch im Supermarkt, besonders wenn keine Masken getragen werden, ist die Erregerlast zum Beispiel von Erkältungsviren, mit denen das Kind in Kontakt kommt, wesentlich höher als bei einer Impfung – trotzdem passiert nichts Schlimmes.
Prof. Zwiauer: "Infekte sind an sich nichts Schlechtes, das kindliche Immunsystem muss ja Erfahrungen sammeln." Das Immunsystem soll stimuliert, aber nicht überwältigt werden. Darüber hinaus gewährleisten neue Herstellungsmethoden reinere Impfseren ohne Spuren tierischer Proteine, auch das macht sie verträglicher.
Timing der Mehrfachimpfungen
Mehrfachimpfungen haben nicht nur den Vorteil, dass man nicht andauernd mit dem Kind zu Impfterminen gehen muss. Wofür man früher 18 (!) Termine brauchte, dafür reichen heute drei. Sie ermöglichen auch ein perfekt abgestimmtes Timing. So weiß man, dass die Gefährdung durch Pneumokokken und Meningokokken für Kleinkinder im ersten Lebensjahr am höchsten ist. Diese Gefahr wird durch die Impfung gebannt. Deswegen warnt Prof. Zwiauer eindringlich vor eigenmächtigen Änderungen der empfohlenen Impfintervalle: "Manche Eltern meinen, ihren Kindern etwas Gutes zu tun, wenn sie die Fristen des Impfplans verändern." Solche Abweichungen hält Prof. Zwiauer für gefährlich, da sie weder untersucht noch sinnvoll sind. Um beim Beispiel Pneumokokken zu bleiben: Wer meint, es sei besser, diese Impfung erst im zweiten Lebensjahr durchführen zu lassen, lässt sein Kind gerade in der gefährlichsten Phase ohne Schutz.
Infobox
- Was sind Antigene?
Stoffe, die das menschliche Immunsystem als „fremd“ erkennt - Welche Kinder dürfen nicht geimpft werden?
Kinder mit Gedeihstörungen und mit wiederholten schweren Infekten, die nicht gut auf Antibiotika ansprechen, so dass Spitalsaufenthalte notwendig werden. - Was sind Pneumokokken?
Pneumokokken sind Bakterien, die Lungenentzündung, Mittelohr- und Nebenhöhlenentzündung verursachen. Für Säuglinge und Kleinkinder sind sie besonders
gefährlich, da ihr Immunsystem noch nicht in der Lage ist, die Infektion abzuwehren. Bei ihnen kann eine Pneumokokkeninfektion zu schweren invasiven Erkrankungen, wie z.B. Blutvergiftung oder Gehirnhautentzündung, führen, die mit lebenslangen Behinderungen einhergehen können.
Deswegen ist die Pneumokokkenimpfung Teil des kostenfreien Kinderimpfkonzepts.
Wichtige Links zum Thema "IMPFEN":
- Elektronischer Impfpass
- Aktueller Impfplan vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
- Univ.-Prof. Dr. Gerald Gartlehner, Leiter des Departments für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie an der Donau-Universität Krems im Gespräch über Mythen und Fakten zum Thema Impfschäden auf www.standard.at
- Weltgesundheitsorganisation zu Masern
Autorin
Mag. Elisabeth Sorantin verfügt über ein abgeschlossenes Studium der Sprachwissenschaften und hat sich im Rahmen ihrer Autorentätigkeit vor allem auf die Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in einer allgemein verständlichen Sprache spezialisiert. Ihre thematischen Schwerpunkte liegen im Bereich Medizin und Pharmakologie, in denen sie über eine langjährige Expertise in der Aufbereitung und Verständlichmachung komplexer Themen verfügt und auf zahlreiche Veröffentlichungen verweisen kann.